Input für unser Team: #schaltzeit_unterwegs

Input für unser Team: #schaltzeit_unterwegs

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Vergangene Woche waren wir auf zwei Veranstaltungen unterwegs, um etwas Input für unsere tägliche Arbeit zu sammeln. Julia besuchte die LABOR.A, während Ashley beim HOLIOPIA Festival verweilte. Hier findet ihr einige Notizen zu unseren Eindrücken.
LABOR.A – Konferenz zur Zukunft der Arbeitswelt​
Julia Gnatzy
Projektkoordinatorin Futures Literacy

Fill the Gap – Lücken als Ausgangspunkt für Veränderung

Die LABOR.A 2024, organisiert vom Hans-Böckler-Institut, stand unter dem Motto „Fill the Gap – Welche Lücken sollen und müssen gefüllt werden?“. Dieser Titel ließ keinen Zweifel daran, dass es um mehr ging als nur um den Status quo. Die Eröffnung durch die Geschäftsführerin der HBS betonte, dass Widersprüche nicht isoliert gelöst werden müssen. Vielmehr sollten wir sie gemeinsam aushalten und so den gemeinsamen Nenner finden. Doch was heißt es, gemeinsam Lösungen zu finden? Und wo genau liegen diese Lücken, die gefüllt werden müssen?

Transformation statt Veränderung: Der Weg zu einer sozial-ökologischen Zukunft

Der Vortrag „Future or Backlash? Sozial-ökologische Transformationsprozesse“ stellte eindrucksvoll dar, wie der Begriff „Transformation“ in der Gesellschaft einen größeren Anreiz zu Veränderungen bietet als der oft schwächer empfundene Begriff „Veränderung“. Dies verdeutlicht, dass Menschen klare, nachvollziehbare und schrittweise Prozesse bevorzugen, um Klimawandel und wirtschaftliche Herausforderungen anzugehen. Besonders betont wurde, dass alle Generationen – vor allem die Jüngeren – in diesen Prozess einbezogen werden müssen. Neue Perspektiven bieten nicht nur Lösungen für bestehende Probleme, sondern eröffnen Wege, die wir bisher nicht gesehen haben.

Job Crafting und Algorithmus: Chancen und Herausforderungen für die Arbeitswelt

Ein weiteres Highlight war der Beitrag „Job Crafting in the era of algorithmic management“, der die Möglichkeiten von datenbasierten Technologien aufzeigte. Diese können helfen, Arbeitsplätze flexibler und menschenfreundlicher zu gestalten. Doch auch hier stellen sich wichtige Fragen: Wie können wir sicherstellen, dass Algorithmen den Menschen dienen, statt sie zu überfordern? Und wie lässt sich in einer technologisierten Arbeitswelt das Gleichgewicht zwischen Arbeitsanforderungen, mentaler Gesundheit und fairer Entlohnung wahren?

Transformation der Wirtschaftsmodelle: Schrumpfen oder Wachsen?

In der abschließenden Diskussion „(R)ausgewachsen? Auf der Suche nach ökonomischen Modellen, die Gute Arbeit erhalten“ wurde intensiv über die Zukunft der Wirtschaft gesprochen. Besonders spannend ein Lösungsansatz nach der Faltungstheorie, in der Anders Levermann verdeutlichte, dass herkömmliche Wachstumsmodelle an ihre Grenzen stoßen. Eine Neuordnung der Wirtschaftsformen, basierend auf Kreislaufwirtschaft und Gemeinwohlökonomie, wurde als möglicher Weg diskutiert, um den Balanceakt zwischen wirtschaftlichem Schrumpfen und Nachhaltigkeit zu meistern.

Schlussfolgerungen: Transformation als gemeinsamer Prozess

Für uns bei Schaltzeit bedeutet dies, dass wir in unserer Arbeit einen Fokus auf die Gestaltung partizipativer und langfristiger Transformationsprozesse legen müssen. Die strategische Vorausschau fungiert hier als wichtiges Bindeglied zwischen den gesellschaftlichen Herausforderungen und den wissenschaftlich fundierten Lösungsansätzen. Um eine wirklich nachhaltige Zukunft zu gestalten, müssen wir alle relevanten Akteure – von der jungen Generation bis zu etablierten Entscheidungsträger*innen – in den Dialog einbeziehen.

Nächste Schritte: Was können wir konkret tun?

  1. Partizipation stärken: Wir sollten uns auf die Etablierung echter partizipativer Prozesse konzentrieren, die alle Gesellschaftsschichten einbeziehen. Scheinpartizipation untergräbt das Vertrauen in Veränderungsprozesse.
  2. Transformation als Prozess verstehen: Transformation darf nicht als eine statische Maßnahme gesehen werden. Sie ist ein fortlaufender Prozess, der von allen Akteuren aktiv mitgestaltet werden muss.
  3. Neue Wirtschaftsmodelle fördern: Es ist an der Zeit, über herkömmliche Wachstumslogiken hinauszudenken und Wirtschaftsformen zu etablieren, die Nachhaltigkeit und Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellen.
  4. Technologie mit Bedacht einsetzen: Der Einsatz von Algorithmen und Datenanalyse muss stets mit dem Ziel erfolgen, die mentale Gesundheit und Arbeitszufriedenheit zu fördern, ohne die Belastungen zu steigern.
  5. Erweiterung der Perspektiven: Unterschiedliche Sichtweisen und generationenübergreifende Ansätze müssen stärker gefördert werden, um innovative Lösungen für komplexe Herausforderungen zu entwickeln.

Fazit: Den Mut zur Transformation finden

Die LABOR.A 2024 war ein inspirierender Weckruf, der verdeutlichte, dass Transformation mehr ist als ein Schlagwort. Sie ist ein kontinuierlicher und gemeinsamer Prozess, der uns fordert, neue Wege zu gehen und die Lücken zu füllen, die bisher unerkannt blieben. Indem wir Verantwortung umverteilen und die Teilnahme aller stärken, schaffen wir die Grundlage für eine nachhaltige und gerechte Zukunft.

Für alle Interessiert*innen, die die LABOR.A in diesem Jahr nicht besuchen konnten:
Wir können gespannt auf die Aufzeichnungen aus diesem Jahr auf der LABOR.A-Mediathek sein. Unter folgendem Link gibt es bereits die aufgezeichneten Beiträge aus den vergangenen Jahren.

HOLITOPIA – Festival for Arts & Futures​
Ashley Grunwaldt​
Orientation Intern​
Das Holitopia Festival for Arts and Future in Berlin ist eine Veranstaltung, die Kunst, Design und Architektur mit den großen Fragen unserer Zeit verknüpft. Es versteht sich als interdisziplinäres Labor, in dem Teilnehmer*innen aus verschiedenen Bereichen wie Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft zusammenkommen, um gemeinsam kreative Zukunftsvisionen zu entwickeln. Unter der Leitung von Madeleine Schwinge bot das Festival den Besuchern eine Plattform, um aktiv an Workshops teilzunehmen, neue Materialien zu erkunden und sich über Themen wie Nachhaltigkeit, Klimawandel und technologische Entwicklungen auszutauschen.

Was haben Design und Demokratie miteinander zu tun?

Die Verbindung zwischen Design und Demokratie geht tiefer, als es zunächst scheint. Design beeinflusst die Art und Weise, wie wir Informationen wahrnehmen und miteinander interagieren. Projekte wie die Demokratiedeckel zeigen, dass Design als Mittel zur Förderung des politischen Dialogs genutzt werden kann. Diese Bierdeckel, bedruckt mit Fragen, sollen anregen miteinander ins Gespräch zu kommen und demokratische Prinzipien zu stärken.

Auch Frankfurt, die aktuelle World Design Capital, unterstreicht die Bedeutung von Design für gesellschaftliche Transformationen. Städte wie Frankfurt können durch innovatives Design den Zusammenhalt fördern und demokratische Prozesse inklusiver gestalten. Für mich zeigt sich hier, dass Design ein Schlüsselwerkzeug ist, um sowohl Partizipation als auch den gesellschaftlichen Dialog zu stärken. Mehr Informationen dazu erhaltet ihr bei folgenden Links:

Positiver Impact von Gestaltung: Innovation und Dialog

Design, Storytelling & Gestaltung machen komplexe Themen greifbar. Denkansätze werden aktiv stimuliert, indem ich mit allen Sinnen Installationen erlebe und mich thematisierten Zukunftsfragen stelle. Ein Workshop, bei dem Pilzkulturen gezüchtet wurden, zeigte anschaulich, wie nachhaltige Materialien in der Architektur als Fassadendämmungen eingesetzt werden könnten.

Der negative Aspekt: Schnelllebige Lösungen und die Gefahr der Oberflächlichkeit

So inspirierend Gestaltung sein kann, birgt sie auch die Gefahr der Oberflächlichkeit. In unserer schnelllebigen Welt besteht oft der Druck, rasche Lösungen für komplexe Probleme zu finden. Ein zentraler Punkt des Holitopia Festivals war die Kritik an der Tendenz, Design als schnelles Mittel zur Problemlösung zu sehen, ohne die Tiefe der Fragestellungen zu berücksichtigen. Design, das nur kurzfristige Bedürfnisse befriedigt, verliert seine transformative Kraft. Gestaltung muss nicht immer Antworten liefern, sondern vielmehr Unsicherheiten zulassen, um zu neuen Fragen zu führen. Also nehmt euch bewusster „Schaltzeiten“. Denkt in langsameren Intervallen und nehmt euch Zeit für Dekonstruktion und Tiefe.

Design ist eine Brücke zwischen den Disziplinen, weit mehr als ein reines ästhetisches Werkzeug.

Design fördert Kommunikation. Sie agiert als Katalysator für den interdisziplinären Dialog. Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Designer*innen und Architekten*innen kommen zusammen und widmen sich dem Prozess des Wirkens. Dieser Austausch führt zu neuen Gedankenkonstruktionen, die bewegen. Siehe dem Kunstwerk der Tetrapoten, die als Vierfüßler vom Wasser an Land kamen. Holitopia verbindet Design, Kommunikation, Kunst zu erlebbaren Zukünften. Sie macht sie begehbar, bekletterbar und fühlbar. Auf dem Werk Biket von den beiden Künstlern Daniel Hölzl und AB Franklin, kann man sogar sitzen, während man philosophiert.

Ganz praktisch kann man diese Brückenfunktion auch an der Gay Bomb erkennen. Wie transformiert man eine militärische Waffe und erschafft ein Symbol für den gesellschaftlichen Wandel?

Queer Technologies hat es uns gezeigt. Die „Gay Bomb“ war ursprünglich eine kontroverse militärische Idee der US Air Force aus den 1990er Jahren, die auf die Verwirrung feindlicher Truppen durch die Freisetzung von Pheromonen abzielte. Diese Vorstellung, menschliche Sexualität als Waffe zu instrumentalisieren, zeigt, wie weit man von einer queer freundlichen Gesellschaft entfernt war.
Queer Technologies greift dieses kritikwürdige Konzept auf und verwandelt es in ein kraftvolles symbolisches Werkzeug, um Machtverhältnisse und gesellschaftliche Normen zu hinterfragen. Die „Gay Bomb“ steht in ihrem Projekt metaphorisch für eine „Explosion“ von Veränderung – sie zeigt, wie queere Identitäten bestehende Strukturen „explodieren“ lassen können, um neue Räume für Inklusion, Freiheit und Selbstbestimmung zu schaffen. Indem Queerness als transformative Kraft verstanden wird, bietet das Konzept eine kritische Auseinandersetzung mit der Instrumentalisierung von Sexualität und eröffnet zugleich neue Perspektiven für gesellschaftlichen Wandel.

Future Rhythms

Dr. Derek Woodgate stellte Future Rhythms vor. Diese Arbeit untersucht die progressive Kultur in verborgenen Räumen und DIY-Wissenschaft, die unsere Zukunft radikal beeinflussen. Es baut auf früheren Arbeiten auf, wie Future Frequencies und Future Flow, die innovative Techniken wie „Denke wie ein DJ“ und „Rhizomatisches Denken“ entwickelt haben. Es fokussiert sich auf die Transformation von Konzepten wie Identität und Ästhetik und erforscht hybride Spezies, Cyborg-Technologien und Zukunftsvisionen wie Levitation und Teleportation. Diese Forschung identifiziert radikale „schwache Signale“, die neue Paradigmen für die Zukunft und kreatives Denken fördern.

Fazit

Das Holitopia Festival hat deutlich gemacht, dass Kunst, Design & Gestaltung sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Zukunft haben können. Das Festival ist ein Potpourri aus Verstandenem und Unverstandenem. Es versteht sich als eine Einladung für Gedankenpausen. Ein Facilitator für Zukünfte, so beschreibt es auch Madeleine Schwinge. Lasst Neugier bewahren, uns miteinander in Schwingungen versetzen, einfach machen und durch das Tun eine Haltung gewinnen, die andere erneut in Schwingung versetzt. Das letzte, was wir in Zeiten der KI-fizierung brauchen ist unsere Gedanken zu standardisieren. Dann verlieren wir unsere Aura und Transformationskraft als Individuen. Wir brauchen eine Creative Intelligence, die uns antreibt.

Mehr zum Holitopia Festival könnt Ihr auch im Interview mit Madeleine Schwinge bei Deutschlandfunk Kultur nachhören:

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