Warum wir dem Wort Schuldenbremse ein Reframing verpassen müssen

Warum wir dem Wort Schuldenbremse ein Reframing verpassen müssen

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„Der Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung für die Menschheit, und mangelnder politischer Wille und persönliche Unternehmensinteressen hindern uns daran, ihn anzugehen. Ich mache mir Sorgen um die Zukunft, die meine Kinder erben werden.“

Wenn aus Not Notwendigkeit wird

Not beschreibt eine besonders schlimme Lage, in der jemand dringend Hilfe benötigt. In diesem Fall sind es wir als Gesellschaft. Die Studie Lancet Planet Health befragte 10.000 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 16 und 25 in 10 Ländern. 75% von Ihnen haben Zukunftsangst; 83% sagten, wir haben als Menschen verfehlt auf unseren blauen Planeten zu achten. 45% dieser Jugendlichen kämpfen mit dieser Klimaangst im täglichen Alltag. Diese Phänomene werden unter den Begriffen Klimaangst, Klimatrauer und Umweltdisstress umfassend beschrieben.

Wenn wir diese Ängste behandeln, haben wir noch immer keinen Blauen Planeten und keine aktivierte Gemeinschaft. Eine Gesellschaft kann nicht ¾ ihrer Jugendlichen krankschreiben, um weiter nichts zu tun. Die Not und Ohnmacht empfinden nicht nur die Jugendlichen, sondern auch unsere Wissenschaftler*innen. Der Guardian2 befragte 350 dieser Expert*innen aus den Bereichen Atmosphäre und Ozeane, Energie und Landwirtschaft, Wirtschaft und Politik. Was Sie alle eint, ist die gemeinsame düstere Zukunftsstimmung, verursacht vom Temperaturanstieg.

Wenn Forscher*innen froh sind keine Kinder mehr zu bekommen, weil sie Dystopien im Kopf haben, dann ist erst recht Zeit zu handeln. Die geschilderten Zukunftsbilder beinhalten: Hungersnöte, Massenmigration, Konflikte, Krieg und Verteilungskämpfe (z.B. um Wasser).

77% Prozent der befragten Klimaexperten glauben an mindestens 2,5°C Temperaturanstieg bei der Erderwärmung
77%
42% Prozent glauben, dass es mehr als 3°C sein werden.​
42%

Not führt zu Notwehr

Ihr alle kennt Organisationen wie Extinction Rebellion, Fridays for Future oder die Letzte Generation. Unter dem Titel „Aufstand der Letzten Generation“ werden Berlin und viele weitere deutschen Städten seit 2022 regelmäßig lahmgelegt. Was die Mitglieder eint, ist die Sorge, dass wir als Menschen, aber besonders die politischen Entscheidungsträger, unseren blauen Planeten durch Nichtstun verspielen.

Die Notwehr, die wir sehen, irritiert andere. Da werden Kunstwerke beworfen, es wird sich auf Straßen festgeklebt, Flughäfen werden gestürmt, um die Erderwärmung aufzuhalten. Aber unsere Gesellschaft ist lediglich verstimmt, ruft nach Ordnung und mehr Strafen, das irritiert und verstört mich. Wir fürchten scheinbar um unsere Gewohnheiten, wir wollen wenig Veränderung. Warum auch. Es verbreitet ja kaum jemand positive Zukunftsstimmung.
Damit wir alle weiterhin Nichtstun können, warnen wir uns gegenseitig vor dem jeweils anderen. Eine klassische Intervention/Manipulation.

Wir sind zerrissen, unverstanden und in unserem Handeln nicht geeint. Egal ob es jetzt Angst vor Altersarmut, der beruflichen Zukunft, Wirtschaftskrisen, Klimawandel oder Krieg ist. Müssen wir nur diese „Jemande“ nun behandeln, oder müssen wir als Gesellschaft nicht generell zuversichtlich in die Zukunft gehen? Uns nicht der Notwehr wehren, sondern uns aufrütteln lassen. Damit der Planet und die Gesellschaft gewinnen.

Damit wir nicht aufstehen müssen, verstecken wir uns hinter Barrieren, wie der Schuldenbremse. Wie würden ja gern mehr fürs Klima tun, leider ist das derzeit nicht möglich. Es lässt sich nicht finanzieren, raunen die einen. Es liegt gem. der Wissenschaft nicht an den Finanzen (nur 22% sehen diese als Engpass). Schließlich wurden auch die Extinction Rebellion (XR) von dem Unternehmen Compassionate Revolution Ltd begründet. Das Logo symbolisiert, wie die Zeit der Erde und der Artenvielfalt abläuft. Und die Zeit läuft. Wieviel Schaltzeit wird die Menschheit brauchen, wieviel Zeit verbleibt um die Zustände zu verändern?

Die Klimakrise richtet bereits jetzt tiefgreifende Schäden an. Ob das Vertrocknen der Wälder, die Veränderung des Golfstroms, die Extremwetterphänomene. Notwehr muss und kann nicht nur von einzelnen Menschen ausgehen. Was ist, wenn die Länder unserer Erde sich das Recht rausnehmen in Notwehr zu agieren. Darf dann jeder Geoengineering betreiben und Wolken, Wasser und Wind nach seinem Gusto lenken? Wir laufen sehenden Auges in die Katastrophe. Die globale Durchschnittstemperatur lag in den letzten vier Jahren etwa 1,2°C über dem vorindustriellen Durchschnitt.

Einige von Euch meinen vielleicht, der Drops ist gelutscht. Das Spiel ist vorbei, gewinnen können wir nicht. Besiedeln wir doch einen anderen Planeten. Aber den gibt es Stand heute nun einmal nicht. Also sollten wir uns von einem Begriff wie der Schuldenbremse stoppen lassen? Es geht doch genau darum etwas erreichen zu wollen!

Die Politik muss die gesellschaftliche Notlage anerkennen.

Not muss zur Notwendigkeit führen

Ich bin der Meinung es ist unsere Aufgabe als Gesellschaft uns diesen Wahrnehmungen zu stellen und uns gemeinsam zu stärken. Es liegt daran, dass wir als globale Gesellschaft nicht debattieren und uns an den bereits beschlossenen Basics orientieren.
Die Schuldenbremse führt zur Klimanot. Der Weltklimabericht erstellt durch den Weltklimarat (IPCC) belegt, dass der Mensch der Haupttreiber des Klimawandels ist. Wir haben den Trend zu einer global kühleren Phase, die vor 6500 Jahren eingesetzt hat, gestoppt und nachhaltig umgekehrt. Es sind also wir Menschen, die Wetterextreme wie Hitzewellen, Starkniederschläge und tropische Wirbelstürme beeinflussen können. Das allein durch unser Handeln.
Wenn wir also Milliarden aufbringen können, um Corona zu bewältigen, die Flüchtlingskrisen dieser Welt abmildern zu können oder Wirtschaftswachstum bzw. „Sterbehilfe“ für alte Industrien bereit sind zu zahlen, dann muss es doch möglich sein, einen Klima- und Transformationsfond (KTF) mit notwendigen Mitteln auszustatten.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, ist überzeugt, dass der deutsche Staat nicht ohne die Aufnahme neuer Schulden auskommen wird. Wenn der Staat jetzt am Sparhaushalt festhalte, entstehe ein viel größerer Schaden als durch die Aufnahme neuer Schulden. „Nicht die Schuldenbremse, sondern die hohen Ausgaben und die Reformmüdigkeit sind unser Problem.“ erklärt Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA, Steffen Kampeter.
Beide eint sicher nicht die Klimaangst, sondern eher die Sorge um die Konjunktur und die Stärkung des Standorts Deutschland.
Ich denke wir müssen größer Denken. Aufgrund der 2/3 Regelung im Bundestag, werden wir noch über mehrere Jahre eine Notlage ausrufen müssen, um die die Ausnahmeregel der Schuldenbremse zu beanspruchen. Obwohl das Wort eigentlich „missleading“ ist. Es steht für fehlende Investitionen in Nahverkehr, Kultur, Bildung. Es ist eine Bremse! Es steht es für Stillstand.
Sprich, da das Geld eh nie reicht, ist es Stillstand. Das ist gut für die, die nur verwalten wollen. Stillstand ist gut für alle jene, die nichts riskieren wollen, und an alten Konstrukten festhalten wollen. Stillstand ist jedoch nicht gut für uns. Es ist unser Untergang. Anfangs geschieht es nur langsam, später exponentiell.

Beim Konsum haben wir es leicht Bürger zu begeistern. Kaufe heute, den es ist Single Tuesday, Black Friday, Black Week oder Cyber Monday. Wir wissen, dass sich vorgezogene Konsumentscheidungen lohnen können. Aber warum verstehen wir das nicht bei Investitionen. Warum nehmen wir uns nicht kollektiv die Klimaangst in dem wir aus der Not eine Notwendigkeit machen?

Dabei wäre es doch so einfach die Notlage der Schuldenbremse auszulösen. Es bedarf der Erklärung des Klimanotstands. ​

Deutschland ist mit 66% des BIP relativ gering verschuldet. Unsere Handelspartner wie Großbritannien (102%), Frankreich (112%), Japan (260% ) und die USA (121%) haben weniger finanzielle Spielräume. Wir können es uns leisten jetzt zu investieren. Die EU plant für 2021 bis 2027 1,8 Billionen Euro für den European Green Deal auszugeben. Deutschland hat einen Anteil am EU BIP von ca. 23%. Wenn die EU 257 Milliarden Euro je Jahr investieren kann, dann können wir als Deutschland gemäß unserer Wirtschaftsleistung ca. 60 Milliarden Euro selbst zusätzlich investieren.

Lasst uns Klima und Erdinvestoren werden. Nutzt eure Arbeitskraft, eure Ressourcen und begeistert andere. Statt Luxuskonsum, möglichst langfristige Klimainvestitionen. Zieht vor was ihr könnt. Beschäftigt euch mit dem Klimawandel. Pflanzt, kultiviert und geht sorgsam mit den Ressourcen um.

  1. Wir debattieren.
  2. Wir kommunizieren über unser Handeln
  3. Wir agieren bewusst.

Niemand sollte sich bei uns mit „I’m feeling blue“ identifizieren. Die Schuldenbremse ist mit Ihrer Notlagenregelung vielleicht besonders geeignet, dass der Klima- und Transformationsfond (KTF) gerade jetzt entsteht und sich die Bürger daran beteiligen können.

In der Not findet die Gesellschaft zueinander; wir bauen uns unsere eigenen Instrumente der Nothilfe, um gemeinsam die Klimanotlage anzupacken. Getreu dem Motto „Bremsen lösen, selbst Verantwortung übernehmen und aus dem Handeln Energie bekommen.“ 

Ich bin dabei. Ihr auch?

  1. Hickman, C., Marks, E., Pihkala, P., Clayton, S., Lewandowski, R. E., Mayall, E. E., Wray, B., Mellor, C. & Van Susteren, L. (2021). Climate anxiety in children and young people and their beliefs about government responses to climate change: a global survey. The Lancet Planetary Health, 5(12), e863–e873. https://doi.org/10.1016/s2542-5196(21)00278-3; Link: Climate anxiety in children and young people and their beliefs about government responses to climate change: a global survey – The Lancet Planetary Health
  2. ‘Hopeless and broken’: why the world’s top climate scientists are in despair | Climate crisis | The Guardian

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André Winzer
Formeller Kopf, aber im Allgemeinen lieber kopflos, stürzt er sich in neue Herausforderungen. Der Schalter steht bei ihm auf Haupt, der Aktionsradius gern auf Simultan. Er analysiert & interpretiert leidenschaftlich Geschäftsmodelle. In Workshops als auch Vorträgen geht es dabei rund um das Thema „Preparing for Tomorrow“. Dabei zeigt er gern, dass Geschäftsmodelle auch leicht auf andere Branchen übertragbar sind.
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