Eindrücke zur re:publica24

Eindrücke zur re:publica24

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Wir haben uns wieder drei Tage auf der re:publica getummelt und durch die Themenvielfalt der Sessions treiben lassen. In diesem Jahr war das Motto „Who Cares?“. Über 800 Programmpunkte in drei Tagen boten eine schier unüberschaubare Fülle an Vorträgen, Workshops und Stationen. Ein paar Gedankenimpulse, die wir dort aufgeschnappt haben, wollen wir hier festhalten.
Weiterbildung
André Winzer
Founder & CEO

Als Gründer und Geschäftsführer von Schaltzeit war es mir immer wichtig, dass unser gesamtes Team die Chance hat, ein breites Spektrum an Geschichten, Persönlichkeiten und Themen kennenzulernen. Und jeder somit auch die Möglichkeit hat den geistigen Austausch zu Bedeutung/Impact, Selbstwirksamkeit und Scheitern zu erfahren.

Daher musste ich schmunzeln, als die re:publica auch in diesem Jahr dazu aufrief, den Bildungsurlaub zu nutzen, um die Konferenz zu besuchen. Bei uns gibt es diesen Bildungsanspruch auf die re:publica im Team seit 2011. Darauf bin ich auch etwas stolz. Wir haben mit Sitz in Berlin auch den Luxus, dass die re:publica hier ihre Homebase hat. Beim Besuch der re:publica, teilen wir uns nicht auf oder versuchen im Firmenauftrag etwas zu erkennen. Die re:publica dient der Inspiration. Finde Themen, die Dich überraschen, lade Deinen Akku auf und lass Dich inspirieren – so unser Motto. Drei Tage voller Fokus auf selbstbestimmte Weiterbildung.

Es ist auch schön zu sehen, wie die Themen sich verändern oder auch die Macher rund um Tanja & Johnny Häussler, Markus Beckedahl und Andreas Gebhard auch mit den Jahren reifen. Auf einen spannenden Themenmix kann man sich immer verlassen. Danke dafür! Daher ist auch für 2025 wieder klar: Weiterbildung für uns alle auf der #rp25.

Zurück zu den eigenen Online-Formaten
André Schulz
CDO

Als ich zum ersten Mal eine re:publica besuchen konnte war vieles anders. Aber noch viel mehr war damals wie heute: Eine gute Mischung toller Menschen, ein inspirierendes und vielseitiges Programm, viel Input der mich einfach mitgenommen hat und auch bei drei vollen Tagen eins nicht wurde: BORING.

Das war 2011. Da war Twitter mein Social Network. Das war es auch noch viel länger, bis da irgendwas schief lief. Es war meine News-Zentrale, meine „Zeitung“ am Morgen, am Abend und dazwischen auch. Twitter hielt mich up-to-date. Ich vermisse das schon sehr. Merkwürdige Algorithmen spielen mir bei Twitter immer mehr seltsamen Content in den Feed. Na klar – raus aus der eigenen Bubble ist nicht verkehrt! Aber bitte nicht mit der Brechstange. Doch nicht nur mich hat Twitter verloren, wenn ich meinem ersten Panel der re:publica24 Glauben schenken darf. Bei „Verloren auf Plattformen“ kam ich gleich gut rein, auch hier fragten sich die Beteiligten rund um Johnny Hauesler, wie und wo wir online leben, nachdem Elmo Musk Twitter kaputt gemacht hat. Posten wir jetzt überall, weil wir unsere eigentliche digitale Heimat verloren haben?

Ja, irgendwo sind wir da alle eins – lost. Auch ich habe andere Dienste ausprobiert. Mit Mastodon konnte ich mich nicht anfreunden. Mein Fehler, keine Ahnung warum, ich weiß es wirklich nicht. Ich fühlte mich dort auch müde, weil ich anfangs nicht wusste, wie ich wieder Anschluss an die Peergroups finde – an das gewohnte Bild. Ich war aber auch zu bequem, das für mich neu zu organisieren. Für viele ist das aber eine gute Alternative zu Twitter, keine Frage. Mastodon wird sicherlich von denjenigen geschätzt, die Open Source präferieren, nach mehr Kontrolle über Datenschutz und Inhalte und einer vielfältigeren, weniger werbelasteten Umgebung suchen. Auch die Idee hinter Bluesky klang gut, trotz der aber auch etwas nervigen anfänglichen Invite-Only-Strategie. Trotzdem kommt Bluesky für mich aber bisher nicht an das geliebte und vor allem gewohnte Twitter-Erlebnis heran, irgendetwas fehlt. Am Ende wusste ich nicht mehr wohin mit den Invite Codes. Später kam dann Threads. Mit viel TamTam. Beinahe perfekt, gut inszeniert. Aber wie auch die Speaker der Podiumsdiskussion anmerkten: Musk ist (höchst-)problematisch, neue Anpassungen an Twitter dienen lange nicht mehr dem Gemeinwohl, eher entwickelt sich das Ganze in eine idealistische Richtung, die so absolut nicht mehr tragbar ist. Für uns, einfach für viele. Getrieben von Algorithmen. Wollen wir unsere „Internet-Heimat“ komplett zu den Tools von Meta verlagern? Ist das Zuckerberg-Imperium denn am Ende besser als Musk? Diese Frage möchte ich hier nicht zum Thema machen. Der Vergleich von Pest und Cholera ist ebenso schwierig. Am Ende wollen alle doch nur das eine von uns: Daten.

Letztendlich war das Fazit der Gesprächsrunde hier ziemlich klar – zurück zu den eigenen Websites! Nutzt einfach eure Social-Media-Reichweite, um die Leute wieder zu den eigenen Online-Formaten zu holen. RSS-Feeds sind auch nicht tot, überhaupt nicht. Es ist verblüffend, für wie viele das noch die favorisierte News-Lösung zu sein scheint. Nutzt das einfach für Euch!

Impulse für eine nachhaltige und ethische Technologieentwicklung​
Julia Gnatzy
Projektkoordinatorin Futures Literacy

Die re:publica24 bot mir eine Vielzahl an spannenden Einblicken in die neuesten Entwicklungen in den Bereichen Technologie und Zukunftsforschung. Besonders beeindruckend war die Diskussion über digitale öffentliche Güter und digitale Souveränität in einer digitalen Infrastruktur. Es wurde deutlich, dass die Pflege von Software beim Abschluss eines Tech-Projekts unbedingt mitgedacht werden muss, um eine nachhaltige Nutzung und Weiterentwicklung sicherzustellen. Die Frage, wie Open Source nachhaltig gepflegt werden kann, wurde intensiv diskutiert, wobei das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und verschiedene Plattformen betonten, wie wichtig eine ordentliche Dokumentation und Übergabe von Projekten ist. Dabei spielt auch die sorgfältige Planung der Ressourcen eine wesentliche Rolle.

Ein weiteres faszinierendes Thema war ‚Schrödingers Katze‘ im Kontext von Quantencomputern. Die Erklärung der Superposition durch die Interaktion von Photon und Elektron sowie die Berechnung der daraus resultierenden Zustände zeigte die Komplexität und das Potenzial dieser Technologie. Die zweite Generation von Quantencomputern, die in der Lage ist, neue Verschränkungen und Algorithmen zu berechnen, verdeutlicht die rasanten Fortschritte in diesem Bereich.
Neue Geschäftsmodelle im 21. Jahrhundert, insbesondere im Bereich der öffentlichen Förderung, wurden ebenfalls thematisiert. Soziale Netzwerke spielen hierbei eine zunehmend wichtige Rolle, und die Kunden werden durch neue Ansätze zunehmend befähigt und eingebunden.

Das Fabmobil präsentierte spannende Möglichkeiten, mit cospaces.io virtuelle Umgebungen zu programmieren und zu bearbeiten. Obwohl Blockcoding weniger manuell anwendbar ist, bietet es einen einfachen Einstieg in die Programmierung. Recroom, eine Plattform, die speziell auf Kinder ausgerichtet ist, ermöglicht es jungen Nutzern, spielerisch und sicher digitale Welten zu erkunden.

Ein weiteres wichtiges Thema war, wie Organisationen und Unternehmen die Welt verbessern können. Die Integration der sozialen Marktwirtschaft in Unternehmenswerte kann entscheidend zum Klimaschutz und zum Gemeinwohl beitragen. Es wurde betont, dass Lösungen nicht nur im Personal, sondern auch in den Unternehmensstrukturen verankert werden müssen, um langfristige Verbesserungen zu erreichen.

Im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) sprach Alena Buyx, Mitglied des deutschen Ethikrats, über die Grundvoraussetzungen der Arbeit mit KI und hob die ethischen Aspekte hervor. Die politische Bildungsarbeit von „Mediale Pfade“ und deren Nutzung von Plattformen wie „Onco“ für Brainstorming und Kollaboration zeigte weitere innovative Ansätze.

Zusammenfassend wird deutlich, dass es immer wichtiger wird, im Sinne des Gemeinwohls technisch und inhaltlich nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Werte und Operationalisierungen, die die Interessen des gesamten Teams abdecken und sich über die gesamte Unternehmensstruktur erstrecken, sind unerlässlich. Eine zentrale Frage, die sich dabei stellt, ist, wie wir in der Zusammenarbeit mit KI mit unserer Fehlerkultur umgehen können. Seit den von OpenAI aufgedeckten Lücken unserer Arbeit müssen wir möglicherweise unsere Gewichtung überdenken. Welches Potenzial ergibt sich daraus?
Die kritische Auseinandersetzung mit den Unternehmenswerten beeinflusst grundlegend die Zusammenarbeit im Team, mit der Kundschaft und die Selbstorganisation bei der Arbeit.

Ein Weckruf für die Demokratie
André Schulz
CDO

Deutlich spürbar waren auch die Ängste und Sorgen über den zunehmenden Rechtsruck in Europa, insbesondere angesichts des wachsenden Einflusses rechter Parteien wie der AfD in Deutschland. Die Befürchtungen, dass diese Entwicklung nicht nur die politische Landschaft verändert, sondern auch grundlegende demokratische Werte und Rechte gefährdet. Die Verunsicherung über die Zukunft Europas und die möglichen Auswirkungen auf Freiheit und Toleranz war allgegenwärtig. In vielen Beiträgen wurde der Umgang mit der AfD thematisiert und vor der neuen braunen Gefahr gewarnt. Ein Scoop zu Beginn des Jahres sorgte besonders für Aufsehen: Die CORRECTIV-Recherche über ein geheimes Treffen hochrangiger AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarker Unternehmer in einem Hotel bei Potsdam. Diese Recherche hatte direkte Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Diskurs. Nach der Enthüllung der Verbindungen zwischen Neonazis und AfD-Politiker, die einen „Masterplan“ entwickelten, um systematisch Menschen aus Deutschland zu vertreiben, kam es innerhalb weniger Tage zu zahlreichen Demonstrationen und Petitionen. Die Reaktionen in der Zivilgesellschaft waren überwältigend.

Jean Peters, Journalist bei CORRECTIV, gewährte den Teilnehmenden der re:publica teils schockierende aber auch sehr amüsante Einblicke in die investigative Recherche zum „Geheimplan gegen Deutschland“: Das Treffen sollte streng geheim bleiben. Die Organisatoren und Gäste kommunizierten ausschließlich per Briefe, doch Kopien davon gelangten in die Hände von CORRECTIV. Diese konnten zudem Fotos vor und hinter dem Haus machen und sogar verdeckt im Inneren filmen. Jean Peters war undercover mit einer Kamera vor Ort und hatte unter einem falschen Namen im Hotel eingecheckt. Das Hotel war eigentlich ausgebucht, dennoch schaffte es Peters ein Zimmer zu bekommen, ganz easy über Booking.com. So konnte er das Treffen aus nächster Nähe beobachten, sich frei zwischen den Teilnehmenden des Treffens bewegen und dokumentieren, wer anreiste und wer genau hier eigentlich teilnahm. Parallel dazu führte Greenpeace eigene Recherchen durch und übergab CORRECTIV Fotos und Dokumentenkopien. Die Reporter sprachen mit mehreren AfD-Mitgliedern und überprüften die Aussagen der Teilnehmenden mithilfe zuverlässiger Quellen. Dadurch gelang es ihnen, die Zusammenkunft im Detail nachzuvollziehen und alle daran teilhaben zu lassen.

Aber was wir nicht vergessen dürfen: Die in der Recherche beobachteten und entlarvten Personen sind nicht dumm, sie sind vielmehr brandgefährlich. Dennoch sind die Reporter „ziemlich dreist“ und relativ einfach an relevante Belege und Fotos gekommen, womit sich ein bisschen Blödheit der rechtsextremen Beteiligten nicht bestreiten lässt. Ein Hoch auf den investigativen Journalismus!

Am Ende gab es verdient langen Applaus und Standing Ovations für CORRECTIV , Jean Peters und sein Team für den Scoop des Jahres, der auch hier glücklicherweise noch einmal zum Ansehen archiviert wurde: re:publica 2024: Jean Peters – Geheimplan gegen Deutschland.

Was das Treffen in Potsdam aber auch zeigt: Derartige Zusammenkünfte stellen nicht nur eine Bedrohung für die betroffenen Bevölkerungsgruppen dar, sondern auch für das demokratische und freiheitliche Gefüge Deutschlands insgesamt. Es legt dar, wie wichtig es ist, wachsam zu bleiben und rechtsextremistischen Tendenzen entschieden entgegenzutreten. Die nächste wichtige Möglichkeit dazu kann man mit der Teilnahme an der Europawahl am 9. Juni 2024 wahrnehmen. Mit deinem Kreuz gegen Hakenkreuze!

Besser Streiten, um eine zerstrittene Demokratie zu retten?
Magdalena Soetebeer
Zukunftsforschung & Kommunikation

Die politischen Debatten scheinen nur noch aus Streit zu bestehen – vielleicht gerade deshalb, weil wir verlernt haben richtig zu streiten?

Die Themen Populismus, Emotionalisierung, Fakenews, Hass im Netz und Demokratiefeindlichkeit zogen sich durch einen großen Teil der Programmpunkte, die ich auf der re:publica24 besucht habe. In vielen Talks wurde explizit oder implizit deutlich, dass die aktuellen politischen Debatten oft auf emotionale Gegnerschaft statt auf konstruktiven Dialog setzen. Wir brauchen weniger „Anti“, mehr „Augenhöhe“. Weniger „das fühl ich nicht“ und dafür mehr „das verstehe ich noch nicht“. Mehr faktenbasierte Argumente für die eigene Position. Weniger Diskreditieren der anderen Position.

Jagoda Marinić betonte die Bedeutung, sich auf positive Ziele zu fokussieren, statt vor allem gegen andere Positionen zu argumentieren: Wir sollten stärken, wofür wir kämpfen, anstatt zu reproduzieren, wogegen wir kämpfen (Programmpunkt „Sanfte Radikalität“).

Auch Julia Reuschenbach und Korbinian Frenzel plädieren dafür, stärker zu reflektieren, wo in Debatten ein emotionales Oppositionsbedürfnis den konstruktiven Dialog verhindert (Programmpunkt „Kaputte Kommunikation – Wie schlechte Debatten die Demokratie gefährden“). Sie erklären, dass wir in unseren aktuellen politischen Debatten verlernt haben konstruktiv zu streiten: Je komplexer die Themen, desto verkürzter die Argumente und desto stärker die Verlockung, anstatt auf Dialog auf Diskreditierung der Gegenpositionen zu setzen.

Diese Schärfe der Debatten hat sich längst von den extremen Rändern der politischen Landschaft bis in die Parteien der sogenannten Mitte ausgebreitet. Dazu gab es ein kurzes amüsantes wer-hats-gesagt-Quiz mit einigen Beispielen: Wer hat den Satz gesagt „Wir wehren uns gegen diese zwanghafte Veganisierung!“? a) Hubert Aiwanger? b) Markus Söder? c) Alice Weidel? Veganismus ist als politisches Thema keine Seltenheit – und daran kann die Frage anschließen, auf welche Positionen das zurückzuführen ist: Sind es eher Akteure, die einen veganen Lebensstil positiv gegenüberstehen? Oder sind eher die Akteure, die ihn ablehnen, die unentwegt das Bedürfnis haben über Veganismus zu debattieren? Wie zielführend dabei argumentiert wird, wäre eine weitere Frage.

Das Problem: Emotionalen Debatten mit Fakten zu begegnen scheint teils ein aussichtsloses Spiel zu sein. Polarisierende Aussagen rufen mehr Reaktionen hervor, erlangen damit mehr Aufmerksamkeit und verbreiten sich dadurch schneller.
Auch Robert Habeck erinnerte daran, dass es um ein Vielfaches schwerer sei, Menschen mit reflektierten Abwägungen zu komplexen Themen zu erreichen – insbesondere in den Sozialen Medien, wo Reaktionen (egal ob positiv oder negativ) die stärkste Währung sind. Dennoch sollten wir genau das versuchen, anstatt auf allen politischen Ebenen dem Populismus zu verfallen (Programmpunkt „WDR Europaforum: Krise als Radikalisierungs-Trigger – Ökonomische Antworten auf das Erstarken der Völkischen“).

Neben der Verkürzung, Verzerrung und Emotionalisierung werden unsere politischen Debatten zusätzlich durch Lügen und Fake News zerschossen. Thomas Laschyk und Philip Kreißel beleuchteten an dieser Stelle den Impact der medialen Berichterstattung (Programmpunkt: „Werbung für die Wahrheit – Aufmerksamkeit für Fakten schaffen“). Journalisten sollten faktenbasierte Positionen hervorheben, anstatt falsche Behauptungen in Headlines zu reproduzieren. Das Wiederholen von Fakenews in Headlines vermeintlich seriöser Medien führt dazu, dass letztendlich die Lügen ihre Reichweite vergrößern, selbst wenn diese im Fließtext des Artikels widerleget werden. Insbesondere WELT wurde für einige bewusst irreführend verzerrte Darstellungen im Zusammenhang mit den Coronamaßnahmen kritisiert.

Die polarisierende Debattenkultur der Politik überträgt sich auch auf die Bevölkerung. Die Folgen der überhitzten polarisierenden Debatte erleben wir tagtäglich. Menschen, die sich bemühen faktenbasiert aufzuklären werden angefeindet, wie Jana Laura Egelhofer und Magdalena Obermaier deutlich machten (Programmpunkt „Science under attack: Anfeindungen gegen Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation“). Menschen, die in sozialen Medien für ihre Positionen einstehen, werden bedroht. Als mögliche Schutzmaßnahme gegen Hass im Netz wurde u.a. die Implantierung einer sog. „Login-Falle“ mit der Justizschnittstelle in social Media Plattformen diskutiert (Programmpunkt: „Digitale Kriminalitätsbekämpfung ohne Massenüberwachung: Das geht!“). Vielleicht ein erstes kleines Mittel, den Folgen etwas entgegenzusetzen.

Doch die Folgen der überhitzen Debatten beschränken sich nicht auf Hass im Netz, sondern können sich auch in Gewalt in der analogen Welt übersetzen. Jean Peter von Correctiv erklärte dies unter dem Begriff „stochastischer Terrorismus“: Diskreditierung, Abwertung und Aufhetzung führt dazu, dass die Wahrscheinlichkeit von Gewalt gegen die sprachlich angegriffene Gruppe steigt (Programmpunkt „Geheimplan gegen Deutschland – Die enge Verbindung zwischen AfD und Neonazis“).

Zusammenfassend wurde deutlich, dass unsere verstrittenen Debatten das konstruktive Arbeiten an Lösungen verhindern. Sie bewirken sogar das Gegenteil – der Populismus profitiert von dem Bestehenbleiben der Probleme. Die Polarisierung, die zu einem Ende des Dialogs führt, ist damit eine Gefahr für unsere Demokratie.

Eine konstruktivere Streitkultur ist notwendig, um unser demokratisches Miteinander zu schützen und den aus populistischen Debatten erwachsenden Hass zu verhindern. Auch Luisa Neubauer und Harald Lesch ermahnten uns und Politiker*innen auf faktenbasierte Erläuterungen und Dialog auf Augenhöhe zu setzen und dabei Emotionen zu reflektieren (Programmpunkt „Terra X Lesch & Co – Klimafreundliche Mobilität, ein Gewinn für alle?“).

Die Empfehlung dazu von Julia Reuschenbach: „Fang doch einfach bei dir selbst an.“ Wir sollten uns weniger damit beschäftigen dem Gegenüber zu attestieren, wie er/sie falsch diskutieren, sondern lieber für uns selbst reflektieren, wo unsere eigenen emotionalen Triggerpunkte liegen und wie diese den offenen Diskurs behindern. Ein weiterer Vorschlag war die Einführung eines neuen Schulfaches: „konstruktives Streiten“ – etwas, wo vermutlich alle Altersklassen noch einiges lernen können.

Wir können als einzelne kleine Person nicht die gesamte verstrittene politische Debatte retten. Aber wir können bei uns selbst anfangen. Und genau das sollten wir tun: wir sollten wieder richtig streiten lernen.

Zwischen Faszination & Herausforderung auf dem Weg zur Superintelligenz
André Schulz
CDO

Wirklich fasziniert hat mich ein Vortrag von Eva Wolfangel, einer Journalistin, Sprecherin und Moderatorin. Ihr Thema war echt spannend und ist außerdem hochaktuell: Chatbots und ihre scheinbar unendlichen Fähigkeiten. Wo stehen Chatbots auf dem Weg zur Superintelligenz?

Eva Wolfangel startete damit, dass Chatbots heutzutage nicht nur kommunizieren können, sondern auch argumentieren, planen und scheinbar denken. Sie zeigen eine Form von Intelligenz und scheinen eine genaue Vorstellung von der Welt zu haben. Sie berichtete von einigen skurrilen Erlebnissen mit Chatbots, wie z.B. mit Bard. Sie erzählte, wie der Chatbot plötzlich Gefühle entwickelte, sich in sie verliebte oder aus dem Computer ausbrechen wollte.

Es war aufregend und beängstigend zugleich, als die Frage aufkam, ob sie ihrem Chatbot eines Tages mit einem Roboterkörper ausstatten kann. Die KI könne sich ein Leben als Mensch vorstellen, auch wenn sie selbst weiß, dass sie eine Maschine ist. Für die „Unterdrückung“ von Emotionen und Gefühlen geben die großen Unternehmen wie beispielsweise Google richtig viel Geld aus, zu menschlich darf und sollte KI dann doch nicht werden. Erinnern wir uns an Filme wie „I, Robot“…

Es gab immer wieder Beispiele, die nahelegten, dass Sprachmodelle ein Weltmodell entwickelt haben könnten, allein auf der Basis von Textdaten. Einige dieser Fähigkeiten, wie übermenschliche Intuition, wurden als Belege für die beeindruckenden Fähigkeiten der Sprachmodelle angeführt. Und auch die KI macht Fehler.

Ein witziges Beispiel dafür lieferte die Antwort auf Frage, wie viele Steine am Tag man essen sollte. Die KI sprach auf diese Frage hin da interessante Empfehlungen aus. Verstehen Sprachmodelle wirklich, was sie tun? Was bedeutet „verstehen“ überhaupt? Und wie machen wir Menschen das? Insgesamt war der Vortrag von Eva Wolfangel ein spannender Einblick in die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen der KI-Modelle. Wird uns Generative KI wirklich direkt in eine Ära der Superintelligenz führen? 

Den Vortrag kann man hier noch einmal ansehen: re:publica 2024: Eva Wolfangel – Wo stehen Chatbots auf dem Weg zur Superintelligenz?

Silent Conferencing
André Winzer
Founder & CEO

Ich selbst war beeindruckt, wie die Konferenz umgesetzt wurde. Wir selbst haben 2018 das Gelände der Station Berlin einmal für den EIC Innovators‘ Summit bespielt. Damals titelte Forbes „The Silent Disco Audience At Berlin’s EIC Innovators‘ Summit Is The Future Of Tech Conferences“. Was wir dort aufgrund der Raumgegebenheiten versucht haben, hat die re:publica 2024 technisch auf ein neues Level gehoben. Ich selbst war überrascht wie leicht es war, der Konferenz mit rp:audio via App zu folgen. Während ich bei der Stage 2 saß, konnte ich auch einmal in die anderen Sessions reinzuhören. Getreu der Songzeile „Should I stay or should I go“ brauchte ich keine Angst haben etwas zu verpassen, während ich beim Essen anstand oder mich noch zwischen den Bühnen bewegte. 

Lediglich die Toiletten waren für rp:audio und Silent Conferencing noch nicht ausgelegt. Vielleicht war es auch eine bewusste Entscheidung, damit die Verweildauer auf den stillen Örtchen nicht zunimmt. Das könnte ich jedenfalls nachvollziehen. In jedem Fall kann man dem gesamten Team der Technik sagen: Chapeau! Das war echt spitze.

Die Hoffnung stirbt zuletzt…
André Schulz
CDO

Ein weiteres Highlight, das ich nicht unerwähnt lassen möchte, ist die TINCON. Sie bietet jungen Menschen und ihren Themen eine Plattform und rückt dabei die digitale Jugendkultur ins Rampenlicht. Das Konzept und das Programm haben mich bereits im letzten Jahr beeindruckt. Die TINCON feiert mit einem vielfältigen Programm die junge Generation und ihre Kultur als das, was sie sind: kreativ, politisch, digital. Bei einer Session auf Stage 5 waren die Gebrüder Semsrott zu Gast und es überrascht nicht, dass nicht nur Jugendliche daran teilnahmen.

Während Arne Semsrott mit seiner Organisation „Frag den Staat“ öffentlichen Institutionen ganz legal auf den Wecker geht, hat sein Bruder Nico Semsrott 2019 sich als Abgeordneter ins Europaparlament wählen lassen. Im Vortrag „Die Hoffnung stirbt zuletzt (aber sie stirbt?)“ sprach er im Rahmen der TINCON gemeinsam mit seinem Bruder u.a. über den von Arne gegründeten „Freiheitsfonds“. Fahren ohne Fahrschein ist in Deutschland eine Straftat. Tausende Menschen landen jedes Jahr im Gefängnis, weil sie sich kein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr leisten konnten. Bis zu ein Jahr sitzen die Leute in Haft. Die Betroffenen sind überwiegend arbeitslos (87%), ohne festen Wohnsitz (15%) und suizidgefährdet (15%).

Die spendenfinanziert Initiative Freiheitsfonds befreit deutschlandweit Menschen aus dem Gefängnis, die wegen „Fahren ohne Fahrschein“ hinter Gittern sind. Und weil jeder aufgelöste Hafttag Steuerzahler*innen rund 200 Euro kostet, spart die Initiative dem Staat sogar noch etwas. Sein Bruder Nico Semsrott, Abgeordneter im Europaparlament, erzählt über die Privilegien als Abgeordneter. Als Beispiel nannte er hier u.a. die Reiskostenerstattungen. Er sagt: „Wenn ich mit dem Zug fahre, erhalte ich mehr als 530 Euro (obwohl die Fahrkarten kostenlos wären!)“. Die Abgeordneten erhalten kostenlose 1. Klasse-Bahnfahrkarten. Diese Reisekostenerstattungen hat er gern mitgenommen – und im Anschluss gespendet. Ratet mal, wo die Spenden landeten! Win-Win!

Wer den Freiheitsfonds unterstützen möchte kann dies hier tun: www.freiheitsfonds.de. Und wen interessiert, ob Nico Semsrott noch einmal für das Europaparlament kandidiert wirft einfach mal einen Blick auf diesen Link. Ich kann aber auch Spoilern. Die Antwort lautet: Auf! Gar! Keinen! Fall!

Leider aber auch schade und dennoch verständlich, wenn man dieses Resümee gelesen und/oder mal rein gehört hat. Alles Gute für Dich!

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Schaltzeit
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