Wenn plötzlich ein Teammitglied fehlt – Zeit & Raum zum Trauern

Wenn plötzlich ein Teammitglied fehlt – Zeit & Raum zum Trauern

Der plötzliche Verlust eines Teammitglieds ist etwas, das wir niemandem wünschen. Wir selbst hatten leider diese Erfahrung, dass ein junger Kollege plötzlich verschieden ist. An einer „ganz normalen“ Grippe.

Ich selbst schickte ihn nach Hause mit den Worten: „Erhole Dich, Du siehst schlecht aus. Nimm Dir eine Auszeit.“ Ein paar Tage später der letzte WhatsApp-Kontakt: „Bin wirklich richtig krank. Nehme mir diese Woche frei.“ In der darauffolgenden Woche keine Nachricht, keine Antwort auf Nachfragen nach dem Gesundheitszustand. Einen Tag später noch immer nichts. Im Team war eine Unruhe spürbar, was uns dazu bewegte die Notfallkontakte zu kontaktieren. Stunden später hatten wir die Gewissheit. Leider war es zu spät.

Das war für uns ein Moment der Schockstarre, trotzdem musste ich aktiv werden: Sitzung im Team, Aussprachen, Gefühls-Check-Ins, Austausch mit den Eltern, persönliche Information aller Mitarbeiter_innen. Während ich meine Beileidsnachricht an die Eltern verfasste, waren im Team schon die Fotos für unsere kleine Gedenkecke in Arbeit. Es war klar, dass wir im Team einen Ort zum Erinnern und zum Trauern brauchen. Ein brennendes Kerzenlicht, Fotos, kondolierende Worte des Teams und frische Blumen.

Parallel dazu gehörte es zu unseren Aufgaben, auch unserer Kund_innen zu informieren, Terminpläne anzupassen und neue Prioritäten zu setzen. Für uns ist ein Teammitglied keine austauschbare Ressource, die in einem Maschinenraum einfach ersetzt wird. Als Unternehmen mit starker Teamverbundenheit nehmen wir uns auch bewusst Raum zum Trauern.

Austausch und Reflexion prägten unsere Teamsitzungen. Dabei war es wichtig, die Abläufe gemeinsam zu rekonstruieren: Wer hat wann welche Entscheidung getroffen, wer welche Empfehlung ausgesprochen? Uns verband dabei das Gefühl, dass uns der plötzliche Verlust unseres Kollegen unendlich hart getroffen hat. Er war nicht nur smart und hoch talentiert, sondern auch ein herausragendes Musiktalent. Dennoch stellte er sich nie in den Mittelpunkt, obwohl seine Leistung das jederzeit verdient hätte. Wo er Handlungsbedarf sah, brachte er eigenständig Verbesserungen ein.

Die Trauer einte uns als Team. Frische Blumen und eine brennende Kerze waren immer präsent. Niemand musste darauf hinweisen, dafür wurde von allen in stiller Trauer gesorgt.  

Die Beerdigung selbst zeigt noch einmal, wie wichtig es ist, dass Familie, Freunde und Wegbegleiter zusammenstehen und auch den Abschied gemeinsam gestalten. Die Hinterbliebenden waren voller Liebe, trotz ihres zerrissenen Herzens. Jeder ergriff das Wort, jeder verabschiedete sich auf seine Art und Weise. Wir teilten Fotos und Geschichten, wir genossen es miteinander zu reden, sein Lieblingsgetränk zu trinken und uns an ihn zu erinnern.

Wir selbst hatten nur eine kurze gemeinsame Zeit. Vier Monate, in denen wir gerade begannen jemanden kennenzulernen, Möglichkeiten zu entdecken und eine Zukunft zu planen.  

Ich teile diese Geschichte mit Euch, weil ich hoffe, dass sie euch hilft: dabei, Trauer besser zu verstehen, sie zuzulassen – und auch anderen diesen Raum zu geben. Trauer braucht Zeit. Und ja, auch im Team darf Platz dafür sein.

 

Meine Erfahrungen aus diesem Trauerfall möchte ich dennoch kurz zusammenfassen.

  • Bei Krankheiten im Team verweist immer auf den Arzt und bittet um einen Besuch.
  • Bittet denjenigen immer, seine Kontakte zu informieren, damit man während einer Krankheit nie allein ist, sondern im „Monitoring“ steht. Es ist doch ok, wenn sich jemand um einen kümmert, mit Liebe und Tee versorgt oder zur Not auch eskaliert und die Ambulanz holt!
  • Erhebt als Organisation Notfallkontakte und nutzt sie. Genau dafür sind sie da!
  • Bleibt mit eurem Team in Kontakt!

 

Für den Trauerfall

  • Trauerfälle sind absolute Chefsache. Kontaktiert die Angehörigen. Alles andere ist erstmal nebensächlich.
  • Informiert die Teammitglieder zeitnah.
  • Sorgt für einen gemeinsamen Gesprächsraum, in der alle Fragen stellen und Gefühle teilen können.
  • Ermöglicht jedem zu trauern. Das gilt auch für Freistellungen oder Stundenreduzierungen der Arbeit, damit jede/r in Ruhe trauern kann.
  • Schafft innerhalb von 24 Stunden eine zentrale Erinnerungsstelle (Kerze, Fotos, Blumen) und haltet sie liebevoll instand.
  • Sammelt gemeinsame Gedanken und Anekdoten. Gern in offenen Gesprächsrunden. Verfasst auch die Anteilnahme im Team. Es geht darum, sich mit der Person auseinanderzusetzen. Was macht diese Person so liebenswert? Was hat sie ausgezeichnet? Was war alles nicht so offensichtlich?
  • Kontaktiert die Angehörigen. Sprecht über eure Wahrnehmung der Situation und würdigt den Menschen und seine Eigenarten und seine Leistungen.
  • Hinterfragt euch und euer Handeln. Wie waren die Abläufe? Was könnten wir anders machen? Wie wollen wir zukünftig mit ähnlichen Fällen umgehen?
  • Plant eine Trauerzeit ein, in der z.B. immer eine Kerze brennt und  die Blumen immer frisch sind. Bei uns waren das beispielsweise 60 Tage.
  • Sorgt dafür, dass Teammitglieder nicht in Vergessenheit geraten und das Erinnern Teil des Arbeitsalltags bleibt.
  • Plant eine gemeinsame Abschiedsfeier oder -zeremonie, bei der alle, so möglich, teilhaben können – ganz gleich, wie die persönliche Trauer sie gerade einschätzt.

 

Ich selbst habe verstanden, dass auch eine kleine Grippe Auswirkungen hat. Das ich Verantwortung für mich selbst trage. Dass ich mich impfen werde, um mein Immunsystem zu trainieren, dass ich auch immer meine Freunde und Familie informiere.

Ja, die Gesundheitsverantwortung liegt in unseren eigenen Händen. Ein Stups von außen kann jedoch nie schaden. Also, geht zum Arzt, macht regelmäßig einen Gesundheitscheck. Verzichtet nicht auf Sport. Und wenn ihr krank seid und merkt es wird nicht besser, dann hofft nicht auf Wunderheilung sondern handelt – für Euch selbst und Eure Liebsten.

Ruhe in Frieden, lieber Kjell.

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