Biennale Futura: Schaltzeit beim Festival der Zukünfte

Biennale Futura: Schaltzeit beim Festival der Zukünfte

Groß (Biennale Bild2)
Vom 5. September bis 5. Oktober verwandelt sich der Industriesalon Schöneweide in ein lebendiges Labor für Zukünfte. Die Biennale Futura lädt dich ein auf verschiedensten Wegen über das Übermorgen nachzudenken. Da konnten wir natürlich nicht nein sagen und haben uns an verschiedenen Stellen beteiligt:

Das Zukunftsorakel

„Ein absurdes Spiel mit der Ungewissheit von Zukunft. Zukunftsforschung wird mitunter missverstanden als Versuch, die Zukunft vorherzusagen – damit räumen wir auf!“
Die Frage „wie wird die Zukunft werden“ hören wir oft, wenn wir erzählen, dass wir uns mit Zukunftsforschung beschäftigen. Unsere Antwort: Zukunftsforschung ist kein existierender Forschungsgegenstand, sondern ein Denkraum. Und damit nicht wissenschaftlich vorhersehbar. Um das ganze spielerisch zu verdeutlichen, haben wir das Zukunftsorakel entworfen. Es erinnert mit einem leichten Augenzwinkern daran: Aussagen über die Zukunft sind Konstruktionen, keine Fakten. Sie spiegeln gegenwärtige Annahmen wider, die wir uns anschauen können, um ihre Glaubwürdigkeit kritisch zu bewerten.

Fragt man unser Orakel nach der Zukunft erhält man eine lustige, absurde bis sinnlose Antwort, die offensichtlich Quatsch ist – der perfekte Gesprächseinstieg, um mit Menschen zu diskutieren, woran sie die Sinnhaftigkeit von Zukunftsaussagen festmachen. Nur weil wir nicht hellsehen können, heißt es schließlich noch lange nicht, dass eine Auseinandersetzung mit Zukunft per se Quatsch ist. Entscheidend ist: Ab wann wird eine Zukunftsaussage brauchbar? Welche Gütekriterien muss sie erfüllen? Auf welchen Methoden und Daten beruht sie? Soll es eine kreative Inspiration sein oder eine rationale Entscheidungshilfe?

Karten zum Notieren von Gedanken + ein Poster, dass die Frage „Was macht eigentlich Zukunftsforschung“ illustriert; und schon ist man für gehaltvolle Gespräche gewappnet

Wir sind begeistert von den verschiedenen Diskussionen, die bei der Biennale entstanden – von humorvollen Exkursen zu absurden Orakel-Ergebnissen zur Weltherrschaft 👑, dem Mond als Steuerparadies 🌚 oder Hunden als Abgeordnete im Parlament 🐶 – bis zu interessierten Nachfragen zu Zukunftsforschung und philosophischen Überlegungen zu Erkenntnistheorien.

Das Planspiel SMART FACOTRY

„Was kann passender sein zur Kulisse des Industriesalon als ein Serious Game zur Transformation von Industrien? Schöneweide war einmal Herzstück der Berliner Industrie, heute ist der Standort vom Wandel gezeichnet.“

Entwickelt wurde das Spiel im Rahmen des Arbeitskreis Akteure 4.0, an dem das Fraunhofer IAO, Festo und Festo Didaktik, Rota-Yokogawa, Siemens und Schaltzeit beteiligt waren. SMART FACTORY dient der Vermittlung von Hürden und Potenzialen im Spannungsfeld von technischer Automatisierung und Menschlichen Skills. Nachdem das Schöneweide-Team die Gummischufabrik erfolgreich gerettet hatte, wurden mit Hilfe von unserem Szenario-Tool verschiedene Zukunftsbilder der Schuhproduktion entwickelt: von veganem Pilzleder, über Sensorik bis zu Zeitzyklen von Modetrends oder Greenwashing. Besonders Implikationen für Geschäftsmodelle und Produktions- und Lieferketten waren im Anschluss an das SMART FACTORY Spiel interessant.
Wie gelingt die Transformation von traditioneller Fertigung hin zu Industrie 4.0? In dem Spiel SMART FACTORY wird im Team exemplarisch eine Schuhfabrik vor der Insolvenz gerettet. Spieler*innen reisen dabei in die Zukunft und sammeln dort Ideen zur Verbesserung der Produktion. Auf dem Weg dahin müssen gemeinsam Entscheidungen getroffen, Budgets verhandelt und Strategien entwickelt werden.

Verschiedene Zukunftsbilder unseres Szenario-Tool

Szenario
Relevanz für deine Gummischuhfabrik
Chancen
Risiken
Empfohlene Investitionsrichtung
1. Konsistenz als Compliance Starke EU-Vorgaben, synthetische Rohstoffe, Circular Economy, KI reguliert
Hoch
+ Frühzeitige Investition in Kreislauf-Design zahlt sich aus
+ Regulatorische Vorteile bei frühzeitiger Anpassung
+ Smarte Produktion gut integrierbar
− Hohe Investitionen in RegTech & Zertifizierung
− Innovationsfreiheit begrenzt durch Bürokratie
✔️ In Technologie, Materialinnovationen und automatisierte, rückführbare Produktionssysteme investieren
2. Grauzonen der Globalisierung Nachhaltigkeit verliert Bedeutung, globale Lieferketten, KI für Effizienz
Mittel
+ Schnelle Skalierung bei niedrigen Kosten
+ KI bringt Effizienz
− Abhängigkeit von volatilen Rohstoffmärkten
− Wenig Differenzierung durch Nachhaltigkeit
❌ Vorsicht bei langfristigen Investitionen in Nachhaltigkeitsmarketing
✔️ Fokus auf Low-Cost-Produktion oder Ausweichmärkte
3. Dezentral & freiwillig Brancheninitiativen, Micro-Fabs, stark regulierte KI
Sehr hoch
+ Flexibilität und Innovationsfreiheit durch dezentrale Produktion
+ Nähe zum Kunden (Mass Customization)
− Koordination & Skalierung aufwendig
− Fragmentierte Standards
✔️ Investiere in modulare Produktionszellen, regionale Märkte & flexible IT-Infrastruktur
4. Zurück nach Europa Reshoring, Naturkautschuk knapp, freiwillige Nachhaltigkeit
Hoch
+ Produktionssicherheit durch Nähe
+ Storytelling für lokale Produktion möglich
− Rohstoffrisiken (Kautschukpreise, Verfügbarkeit)
− Hohe Lohnkosten in Europa
✔️ Investition in Materialersatzstoffe & „Made-in-Europe“-Premiumsegment
5. Greenwashed Autonomie Synthetische Materialien, Regulierung hoch, Nachhaltigkeit wenig ernst gemeint
Niedrig bis mittel
+ Günstige synthetische Materialien gut skalierbar
+ Regulatorisch steuerbar
− Vertrauensverlust bei Konsumenten
− Gefahr von Greenwashing-Vorwürfen
❌ Vorsicht bei Marketing-Investitionen ohne echte Substanz
✔️ Fokus auf Effizienz und Compliance-Sicherheit

🧭 Szenario

In diesem Zukunftsbild entwickelte sich die Europäische Union zu einem weltweiten Vorreiter für nachhaltige Industriepolitik. Produkte, insbesondere Konsumgüter wie Schuhe, unterliegen strengen Ökobilanz- und Kreislaufvorgaben. Nur wer nachweislich klimaneutral, recyclebar und ethisch korrekt produziert, erhält Marktzugang.

🧩 Relevante Ausprägungen

  • Regulierung: Strikte EU-Vorgaben, hohe Normendichte
  • Rohstoffe: Synthetische, biokompatible Alternativen dominieren
  • Nachhaltigkeit: Circular Economy verpflichtend
  • KI & Daten: Stark reguliert, aber zugelassen bei Nachweis ethischer Konformität
  • Produktion: Automatisiert, mit Rücknahmesystemen und digitalem Produktpass

👣 Auswirkungen auf deine Gummischuhfabrik

  • Du brauchst zertifizierte Materialien (z. B. biologisch abbaubare Thermoplaste).
  • Die Produktion muss modular, transparent und rückverfolgbar sein.
  • Design for disassembly ist Pflicht: Schuhe müssen reparier- und recycelbar sein.
  • Digitale Produktpässe inklusive Herkunfts- und Recyclinginformationen sind vorgeschrieben.
  • KI-gestützte Prozesse (z. B. in der Bedarfsprognose) sind erlaubt, aber nur unter Auditing.
  • Dein Wettbewerbsvorteil liegt in Früh-Compliance: Wer spät investiert, fliegt aus dem Markt.

🧠 Empfohlene Strategie

  • Investiere in Materialforschung und Recyclingfähigkeit
  • Richte deine Fertigung auf zertifizierte, auditierbare Prozesse aus
  • Entwickle as-a-Service-Modelle, z. B. „Gummistiefel im Abo“ oder „Rücknahme für Rabatte“
  • Positioniere dich als Compliance-Leader mit hoher Produkttreue
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Das Debatten-Tangram

„Diskreditieren, Draufhauen, Dämonisieren – oder lieber Denken, Differenzieren und Debattieren? Ein Spiel für Diskussionen um kontroverse Zukunftsfragen💥💥💥🗯️“

Zukunftsgestaltung ist eine Debatte, eine Arena von Standpunkten und Einflussmöglichkeiten. Streit gehört dabei dazu, ob im kleinen Kreis oder auf großen Ebenen der Gesellschaft. Die große Kunst in einer Demokratie ist nur: Wie führen wir Debatten konstruktiv und lösungsorientiert? Ob Bashing-Bizeps oder Dialog-Muskel, die Art und Weise wie wir streiten ist antrainierte Übungssache und entscheidend für eine gemeinsame und gelingende Zukunft.

Das Debattentangram haben wir konzipiert, um spielerisch den konstruktiven Dialog zu üben. Jeder Stein ein Standpunkt. Ziel ist es, die Stimmung und Diskussionsmuster einer Debatte zu reflektieren und gleichzeitig zu üben, wie aus verschiedenen Standpunkten ein ganzheitliches Bild entstehen kann. Die Zeit war zwar etwas knapp – wie wahrscheinlich bei jeder hitzigen Zukunftsdebatte – dennoch wurde in Schöneweide fleißig diskutiert.

Unsere Goldnuggets der Biennale

Weil es den einen perfekten Umgang mit Zukunft nicht gibt, ist das bunte Programm der Biennale eine wunderbare Möglichkeit in das Spektrum verschiedenster Ansätze einzutauchen. 

Meine persönlichen Highlights so far:

  • Das Science-Fiction Zukunftslabor von Isabella Hermann, bei dem wir ermutigt wurden, sogar in einer dystopischen Zukunft nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern nach Handlungsoptionen zu suchen.
  • Die Fotografien von Gerhard Westrich in seinem Projekt „I wish! Wunsch an die Politik“. Er schießt Portraits von Menschen aus ganz Deutschland, nimmt ihre Forderungen an die Politik auf und möchte sie an den Bundestag überreichen. Ein toller Ansatz, der aus dem sonst so abstrakt in Talkshows geforderten Einbezug der kleinen Leute, die sich von der Politik nicht gesehen fühlen, konkrete Perspektiven vermittelt.
  • Auch sehr schön fanden wir das Statement von Sven Bock „Mein persönliches Zukunftsbarometer ist das Wasser: So wie sein Pegel steigt oder sinkt, so zeigt es mir, wie wir mit unserer Erde umgehen. Wenn wir das Wasser sorgsam nutzen, zeigen wir, dass wir die Zukunft ernst nehmen.“

 

Da die Biennale noch bis zum 5. Oktober läuft, kommen bestimmt noch weitere hinzu, schaut vorbei: https://futura-biennale.de/programm/

Magdalena Soetebeer
Magdalena ist gelernte Kommunikationsdesignerin und bei Schaltzeit im Bereich Kommunikation und Futures Literacy tätig. Ihre Erfahrungen in Gebieten der Zukunftsforschung, Design Thinking sowie Workshopkonzeption und -moderation lässt sie verschiedenen Methoden einfließen, um in partizipativen Prozessen bestmögliche Grundlagen für Ideationsprozesse zu erarbeiten.
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